Munch. Lebenslandschaft
Edvard Munch ist für seine eindringlichen Darstellungen elementarer menschlicher Empfindungen bekannt. Eine ebenso wichtige Rolle wie das Interesse an den seelischen Dimensionen des Daseins spielte jedoch Munchs Faszination für die Natur. Mit der ihm eigenen Imaginationskraft und Sensibilität widmete er sich Naturmotiven, um den Platz des Menschen im kosmischen Kreislauf des Lebens zu ergründen. Die Darstellung von Landschaft in Munchs Werk wurde jedoch bislang kaum systematisch untersucht. Die Ausstellung Munch. Lebenslandschaft und der zugehörige Katalog erforschten erstmals die Bedeutung von Munchs Naturdarstellungen und hinterfragten gängige Vorstellungen.
Reflektiert wurden dabei die künstlerischen, wissenschaftlichen und philosophischen Einflüsse seiner Zeit, die zu Munchs Naturverständnis beitrugen. Einerseits verstand Edvard Munch die Natur als sich zyklisch erneuernde Kraft, andererseits sah er sie als Spiegel menschlicher Empfindungen. Munch entwickelte ein pantheistisches Naturverständnis, das er auf die norwegischen Küsten und Wälder projizierte. Mit einer Motivik zwischen geschwungener Küstenlinie und Märchenwald, schneebedeckten oder vom Sturm getroffenen Landschaften, üppigen Gärten und dem entfesselten Spiel von Sonne, Luft und Wasser, eröffnete Munchs Werk vor dem Hintergrund aktueller Naturkatastrophen auch einen Resonanzraum für die heutige Klimakrise.
In Edvard Munchs Zeit wandelte sich das Naturverständnis radikal. Unter dem Eindruck neuer Entdeckungen in Biologie, Physik, Medizin und Geologie wurde die Natur nicht mehr als etwas Statisches und Greifbares wahrgenommen, sondern als etwas Dynamisches, das ständig in Bewegung ist. Die Menschen entwickelten ein Bewusstsein für Prozesse, die für das bloße Auge unsichtbar sind – seien es langsame Veränderungen von großer Tragweite wie die Kontinentalverschiebungen und die Entwicklung der Arten oder das nur unter dem Mikroskop sichtbare Gewimmel der Bakterien. Die Grenzen zwischen Mensch und Tier, zwischen Pflanzen und Mineralischem verschoben sich, verschwammen und wurden zum Teil aufgehoben.
In vielen Werken setzte Edvard Munch diese lebendige, dynamische und sich wandelnde Natur ins Bild. Unwetter, Eingriffe des Menschen in die Natur sind ebenso Bildthemen wie sich bewegende Erdmassen mit vermenschlichten Zügen. Ineinander verschlungene Körper vereinigen sich mit der Erde. In einigen Bildern ließ Munch Mann und Frau schwerelos durch den Raum schweben. In einem Text beschrieb er dieses Sujet so: „Die Schicksale der Menschen sind wie die Planeten; sie begegnen sich im Raum, um sogleich wieder zu verschwinden.“ Auf diese Weise brachte der Künstler die Triebkräfte und Sehnsüchte des Menschen mit zyklischen, universalen Kräften in Zusammenhang.
Die Ausstellung zeigte über 110 Werke von internationalen Leihgebern, darunter das Munchmuseet, Oslo, das Museum of Modern Art, New York, das Dallas Museum of Art, die Staatsgalerie Stuttgart, das Museum Folkwang, Essen, und das Von der Heydt-Museum, Wuppertal.
Von Juni bis Oktober 2023 war die Ausstellung unter dem englischen Titel Munch. Trembling Earth an ihrer ersten Station, dem Clark Art Institute in Williamstown, USA, zu sehen. Kuratiert von Jay A. Clarke, erhielt die Ausstellung dort herausragende Besprechungen: „A revelatory exhibit” (The Wall Street Journal); „Magnificent (...) Munch the landscapist coexists with the connoisseur of affliction” (Financial Times); „Glorious (...) It’s a revelation.” (The Atlantic); „a major modern painter in a new, broader, enlivening light” (New York Times). Für die Potsdamer Station wurde die Ausstellung, kuratiert von Jill Lloyd, mit 116 Werken in acht Ausstellungskapiteln präsentiert, bevor sie ab Ende April 2024 an ihrer dritten Station, dem MUNCH in Oslo, gezeigt wird, wo Trine Otte Bak Nielsen sie kuratiert.
Eine Ausstellung des Museums Barberini, Potsdam, des Clark Art Institute, Williamstown, und des Munchmuseet, Oslo.
Parallel zur Potsdamer Schau widmete sich eine zweite Ausstellung Munch und Berlin: Edvard Munch. Zauber des Nordens in der Berlinischen Galerie (15. September 2023 bis 22. Januar 2024). Beide Ausstellungen standen unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Seiner Majestät König Harald V. von Norwegen.
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