Rembrandt aktuell
Aspekte einer Ausstellung niederländischer Kunst des 17. Jahrhunderts
Rembrandt und seine Zeitgenossen waren fasziniert von den fernen Ländern, deren Waren im 17. Jahrhundert in die Niederlande importiert wurden. Persische Teppiche, chinesisches Porzellan oder japanische Gewänder fanden Eingang in ihre Gemälde. Wie uns heute auffällt, wurde die Kehrseite dieser Weltaneignung nicht dargestellt: das Machtgefälle zwischen den Kulturen, das sich auch in Sklaverei, Gewalt, Ausbeutung und Handelskriegen zeigte. Aber auch das, was gezeigt wurde, ruft 400 Jahre später, auch andere als kunsthistorische Fragen auf. Der Orient blieb in der Bildwelt niederländischer Künstler ein Konstrukt aus Versatzstücken, Stereotypen und Imagination. Das Fremde wurde geschätzt und in den Lebensstil integriert, die westöstliche Begegnung fand jedoch nicht auf Augenhöhe statt. An dieser Einstellung hat sich – zu dieser Reflexion lädt die Ausstellung ein – bis heute in weiten Teilen der westlichen Welt nichts geändert.
In einer Folge von fünf Gesprächen werden fünf Aspekte des Eurozentrismus diskutiert. Ausgangspunkt ist jeweils ein in der Ausstellung gezeigtes Werk, das Anregungen gibt, heute aktuelle Fragen zu thematisieren. Mit Stephanie Archangel, Rijksmuseum Amsterdam; Tahir Della, Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland; Renata Motta, Freie Universität Berlin; Anna von Rath, Universität Potsdam und Postcolonial Potsdam und Kadir Sancı, Universität Potsdam.
Gespräch mit Prof. Dr. Renata C. Motta, Soziologin, Jun-Prof. am Lateinamerika-Institut, Freie Universität Berlin
Nach der Gründung der Niederländischen Ostindien-Kompanie im Jahr 1602 setzte ein ungeheurer Zustrom von Waren aus fernen Ländern in die Niederlande ein. Der weltumspannende Handel lässt sich als erste Globalisierung bezeichnen. Dieser Übergang zur Konsumkultur war nachhaltig und legte die Basis für eine bis heute andauernde Anspruchshaltung.
Gespräch mit Kadir Sancı, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Universität Potsdam und Imam des Bet- und Lehrhauses am Petriplatz in Berlin
Im 17. Jahrhundert waren Religionen und die mit ihnen zusammenhängenden Machtfragen Anlass zahlloser Kriege. Das galt für die christlichen Richtungen untereinander ebenso wie gegenüber dem Islam. Dieser wurde als dem Christentum grundsätzlich feindliche Irrlehre angesehen. Gleichwohl gab es ein Interesse an dieser Religion, wie verschiedene Übersetzungen des Korans ins Niederländische belegen.
Gespräch mit Stephanie Archangel, Junior Konservatorin Geschichte, Rijksmuseum Amsterdam
In vielen Gemälden des 17. Jahrhunderts sind dunkelhäutige Menschen dargestellt, häufig um den dargestellten Szenen einen exotischen Eindruck zu verleihen. Diese waren selten Träger der Handlung, selten individualisiert und wurden häufig in einer dienenden Rolle gezeigt.
Das englisch untertitelte Gespräch finden Sie hier.
Gespräch mit Tahir Della, Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V.
Viele niederländische Bürger des 17. Jahrhunderts ließen sich in „orientalischer“ Kleidung portraitieren, Rembrandt und andere Künstler statteten ihre Modelle mit Turbanen und Goldschmuck aus. Zahlreiche Gemälde zeigen, dass Orientteppiche und andere Güter aus fernen Ländern wie Porzellan oder japanische Lackarbeiten geschätzt wurden. Eine solche Übernahme von Elementen anderer Kulturen in den eigenen Lebensstil wird als Aneignung bezeichnet.
Gespräch mit Anna von Rath, Cultural Studies, Universität Potsdam, Mitbegründerin der Initiative Postcolonial Potsdam
Noch in Rembrandts Zeit bezeichnete der Begriff Orient die Länder des östlichen Mittelmeeres, Kleinasiens sowie Indien, China und Japan. In ihren Gemälden verwendeten Rembrandt und seine Zeitgenossen häufig Motive, die mit „dem Orient“ verbunden wurden. Seit den 1970er Jahren ist der Begriff Orient umstritten, weil von ihm der Orientalismus abgeleitet wird, der eine Haltung westlicher Überlegenheit, die in der Kolonialzeit wurzelt, transportiert.