Edikt von Potsdam / Potsdam Museum
Niemand würde vermuten, dass französische Kultur und Lebensart hierzulande mit einem Stück Papier ihren Anfang nahmen. Es war das Edikt von Potsdam vom 29. Oktober 1685. Mit diesem Erlass richtete sich der Große Kurfürst von Brandenburg an Bürger des französischen Königreichs. Dort herrschte damals niemand Geringeres als der Sonnenkönig Ludwig XIV. Es war ein erstaunlicher Akt, mit dem das damals noch recht unbedeutende Kurfürstentum Brandenburg einem der mächtigsten Regenten Europas die Stirn bot. Infolge des Edikts von Potsdam strömten französische Bürger in großer Zahl nach Brandenburg und in die Stadt Potsdam.
Potsdamer Toleranzedikt
Im Volksmund wird dieses Edikt bis heute Potsdamer Toleranzedikt genannt. Es war eine Reaktion des Kurfürsten auf den Widerruf des sogenannten Toleranzedikts von Nantes durch Ludwig XIV. Das Potsdam Museum widmet diesem Edikt ein eigenes Kapitel in seiner ständigen Ausstellung Potsdam. Eine Stadt macht Geschichte.
Was hatte es damit auf sich?
Das Toleranzedikt von Nantes hatte den calvinistischen Protestanten, den Hugenotten, im Jahr 1598 im katholischen Frankreich religiöse Toleranz und Bürgerrechte, Gewissensfreiheit und freie Religionsausübung in der Öffentlichkeit zugesichert. Davon ausgenommen waren allerdings Paris und Städte mit Bischofssitz oder königlichen Schlössern. Der Widerruf dieses Edikts bedeutete nun ein Verbot des Protestantismus in Frankreich. Wer nicht bereit war, seine Konfession abzulegen und zum Katholizismus überzutreten, musste das Land verlassen.
Das Edikt von Potsdam war zweisprachig verfasst, auf Deutsch und Französisch. Es stellte den hugenottischen Glaubensflüchtlingen eine neue Heimat im Kurfürstentum Brandenburg und dem dazugehörenden Herzogtum Preußen in Aussicht. Dabei gab es für die Einladung an die Franzosen eigennützige Motive. Nach dem Dreißigjährigen Krieg benötigte das entvölkerte Brandenburg mit seinen kargen Böden und sumpfigen Landstrichen dringend Arbeitskräfte für den Wiederaufbau. Der Erlass enthielt den Appell an die Flüchtlinge, wüste und ruinöse Häuser wieder zu errichten, das Land urbar zu machen und Manufakturen zu begründen. Die Erwartungen an die französischen Einwanderer waren unmissverständlich formuliert.
Erste große Fluchtbewegung in Brandenburg
Das Edikt von Potsdam offerierte ihnen großzügige Bedingungen für die Ansiedlung im kriegsgebeutelten Brandenburg. Es garantierte die Kostenübernahme für die Immigranten, sobald sie Frankreich verlassen hatten. Das bedeutete materielle Unterstützung, Pass, Finanzierung der Reisekosten bis Brandenburg, Wahlmöglichkeit des Ansiedlungsortes und Freiheit des Gottesdienstes in ihrer Muttersprache, mit einem vom Kurfürsten bezahlten Pfarrer. Dazu kamen Steuerfreiheit während der ersten vier Jahre, die Möglichkeit, freistehende Wohnungen zu besetzen oder mit Beihilfen neue zu bauen, dieselben Rechte wie die Einheimischen, und die Einbürgerung ohne den Zwang zur sofortigen Integration.
Die Werbung um die Hugenotten wurde weitergeführt von Kurfürst Friedrich III., der 1688 an die Macht kam. 1701 wurde er als Friedrich I. König in Preußen. Das Wohlwollen des Hofes, des Adels und der meisten Intellektuellen war den Neubürgern sicher. Der Kurfürst hatte sie schließlich eingeladen. Französisch galt den gesellschaftlichen Eliten Europas um 1700 als Ausdruck zivilisierter Lebensart und wurde auch am Potsdamer Hof gesprochen – die Sprache der Hugenotten wurde als Ausweis ihrer kulturellen Verwandtschaft bewertet. Einige von ihnen hatten am Hof die Stelle der Prinzenerzieher inne.
Die Immigration der Hugenotten ist die erste große Fluchtbewegung der neueren brandenburgischen Geschichte. Etwa 20000 Franzosen fanden hier Zuflucht und eine neue Heimat. Ab etwa 1720 ließen sich die Neuankömmlinge in größerer Zahl im Stadtgebiet Potsdams nieder. Vorher hatte hier der nötige Wohnraum gefehlt.
Die Ansiedlung verlief allerdings nicht reibungslos. Offizielle Integrationsbemühungen wie heute gab es damals nicht. Gegenseitige Abneigung, Neid, Konkurrenz und Übergriffe waren eher die Regel als die Ausnahme. Die einfache Bevölkerung stand den Franzosen anfangs größtenteils ablehnend gegenüber. Ihr Aussehen war ungewohnt, ihre Sprache unverständlich, die calvinistische Religionsausübung blieb den Brandenburger Lutheranern fremd. Mit ihrem Eintreffen wurden zudem Wohnraum und Lebensmittel knapp, Preissteigerungen waren die Folge. Wichtiger noch: Die Einheimischen sahen ihre berufliche Existenz in Gefahr und neideten den Zugereisten ihre Privilegien. Die Zünfte erschwerten die Aufnahme der Fremden, es kam zu Brandstiftungen und eingeworfenen Fensterscheiben. Erst nach und nach gewöhnten sich die Menschen aneinander.
Das Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte ist eine der Stationen der Audiotour Frankreich in Potsdam, die anlässlich des Einzugs der französischen Impressionisten in das Museum Barberini für die Barberini App entwickelt wurde. Die Audiotour lädt dazu ein, rund 25 Stationen mit französischen Einflüssen zu entdecken, die Potsdam über Jahrhunderte mit geprägt haben. Laden Sie einfach die kostenfreie Barberini App herunter und lassen Sie sich von den vielen Frankreich-Bezügen der Stadt überraschen.